mit Ulrich Irnich & Markus Kuckertz
Shownotes
In Folge 64 sprechen Uli und Markus mit Sabine Buch, Vice President International Products & Innovations bei T-Systems International, über die Chancen und Herausforderungen von Neurodiversität. Mit über 25 Jahren Erfahrung in Führungspositionen bei der Deutschen Telekom und ihrer Arbeit als systemischer Coach gibt Sabine wertvolle Einblicke, wie Unternehmen von den besonderen Stärken neurodiverser Talente profitieren können.
Sabine erklärt, wie Menschen mit Neurodivergenzen – von Autismus über ADHS bis hin zu Hochsensibilität – neue Perspektiven und außergewöhnliche Fähigkeiten in Organisationen einbringen können. Sie zeigt, warum inklusives Denken und eine offene Unternehmenskultur entscheidend sind, um dieses Potenzial zu nutzen. Ihre Mission ist klar: Mehr Bewusstsein schaffen und Barrieren abbauen, damit diese Talente sichtbar werden.
Beleuchtet wird auch die Rolle von Technologie: Sabine sieht generative KI als Schlüsselinstrument, um neurodivergente Talente zu unterstützen – sei es durch Tools zur individuellen Organisation, zur Entlastung von Routinetätigkeiten oder zur Vereinfachung komplexer Prozesse.
Wer mehr wissen möchte, findet hier weitere Informationen:
- Literaturempfehlung „Introduction to Neurodiversity: An Annotated Reading List“ von Dr. Mirela Zaneva und anderen: https://orbi.uliege.be/bitstream/2268/321084/1/Intro%20to%20Neurodiversity%20ARL.pdf
- Literaturempfehlung „NeuroTribes: The Legacy of Autism and the Future of Neurodiversity“ von Steve Silberman: https://amzn.eu/d/0zCjU2M
- Literaturempfehlung “The Power of Neurodiversity: Unleashing the Advantages of Your Differently Wired Brain“ von Dr. Thomas Armstrong https://amzn.eu/d/94fm2Rs
- Webseite der Deutschen Telekom zu Diversity: https://www.telekom.com/de/konzern/mitarbeitende/diversity/content/diversity-ein-zentraler-bestandteil-unserer-unternehmenskultur-1048508
- “Guide für neurodivergente Bewerbende“ der Deutschen Telekom: https://www.telekom.com/resource/blob/1076062/0c41c759beef1d64a251b184507ad2b6/dl-guide-neodiversitaet-data.pdf
- Webseite von SAP zu „Autism at Work Initiative von SAP“: https://jobs.sap.com/content/Autism-at-Work/
Euer Feedback zur Folge und Vorschläge für Themen und Gäst:innen sind sehr willkommen! Vernetzt Euch und diskutiert mit:
- Sabine Buch: https://www.linkedin.com/in/sabine-buch-aa4821187/
- Ulrich Irnich: https://www.linkedin.com/in/ulrichirnich/
- Markus Kuckertz: https://www.linkedin.com/in/markuskuckertz/
Mitwirkende – Hosts: Ulrich Irnich & Markus Kuckertz // Redaktion: Marcus Pawlik © Digital Pacemaker Podcast 2025
Zusammenfassung
In dieser Episode des Digital Pacemaker Podcasts sprechen wir mit Sabine Buch, Vice President International Products and Innovations bei T-Systems International, über die Chance der Neurodiversität in der Gesellschaft und Wirtschaft. Sabine, die seit über 25 Jahren in verschiedenen Führungspositionen der Deutschen Telekom tätig ist, bringt eine einzigartige Perspektive mit, da sie sich auch als systemischer Business-Coach und Mental-Coach engagiert. Wir erkunden die Thesen, dass Neurodiversität Potenzial für Innovation und Wachstum birgt, Unternehmen ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen müssen, um außergewöhnliche Talente zu gewinnen, und dass generative KI zur gezielten Förderung und Integration neurodivergenter Talente genutzt werden kann.
Zu Beginn diskutieren wir, wie wichtig Aufklärung über Autismus und andere neurodivergente Zustände ist. Sabine teilt ihre Erfahrungen aus der Unternehmensführung und hebt hervor, dass viele Menschen oft nicht wissen, was Neurodiversität tatsächlich bedeutet. Uli fragt sie nach ihrer ersten Begegnung mit dem Begriff und Sabine erzählt von ihrer persönlichen Entdeckungsreise, die durch ihre Erfahrungen in der Schulzeit und ihre berufliche Laufbahn geprägt wurde. Es wird klar, dass die Gesellschaft viel von neurodivergenten Menschen lernen kann – ihre unterschiedlichen Perspektiven und Fähigkeiten können eine Bereicherung für Teams und Projekte darstellen.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs erörtern wir, welche Vorteile Unternehmen durch die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds haben können. Sabine betont, dass viele Arbeitnehmer mit neurodivergenten Hintergründen über erstaunliche Fähigkeiten verfügen, die in traditionellen Unternehmensstrukturen oft ungenutzt bleiben. Diese Talente können in Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, von unschätzbarem Wert sein. Die Gesprächspartner reflektieren gemeinsam, dass Unternehmen kreativer und toleranter werden müssen, um diese wertvollen Ressourcen zu nutzen.
Ein zentrales Thema ist die Rolle der generativen KI in der Förderung neurodiverser Talente. Sabine erläutert, wie KI-gestützte Tools helfen können, Arbeitsabläufe zu optimieren und individuelle Bedürfnisse besser zu berücksichtigen, um neurodivergente Mitarbeiter zu unterstützen. Sowohl Uli als auch Sabine sind sich einig, dass techgestützte Lösungen in Zukunft eine Schlüsselrolle dabei spielen werden, Barrieren abzubauen und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Im Schlusswort, fasst Uli die wichtigsten Punkte zusammen: Aufklärung ist entscheidend, um Toleranz und Verständnis für Neurodiversität zu schaffen. Sabine unterstreicht, dass Authentizität und Mut für junge Talente, die im neurodivergenten Spektrum agieren, von höchster Bedeutung sind. Durch Mentoring und Selbstwirksamkeit können sie ihre Stärken erkennen und zur Geltung bringen. Diese inspirierenden Einblicke machen deutlich, dass die Zukunft der Arbeit nicht nur divers, sondern auch inklusiv und nachhaltig gestaltet werden muss, um das volle Potenzial der Gesellschaft auszuschöpfen.
Transkript
Speaker0:[0:00] Die Aufklärung ist der wichtigste Teil, weil die meisten Menschen wissen gar nichts über Autisten. Ja, und auch da kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten. Ja, und auch da wirklich. Und ich glaube, was ich merke, ist alleine dieses mal anzusprechen, rauszugehen.
Music:[0:18] Music
Speaker2:[0:32] Herzlich Willkommen zum Digital Pacemaker Podcast mit Uli Irnig und mit mir, Markus Kuckertz. Lieber Uli, ich begrüße dich.
Speaker1:[0:38] Hallo, lieber Markus.
Speaker2:[0:39] Heute sprechen wir darüber, warum wir Neurodiversität auch als Chance für Gesellschaft und Wirtschaft begreifen sollten. Zu Gast ist Sabine Buch, Vice President International Products and Innovations bei T-Systems International. Schön, dass du heute bei uns bist, Sabine.
Speaker0:[0:54] Hallo und herzlichen Dank für die Einladung.
Speaker2:[0:56] Sabine ist seit mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Telekom in verschiedenen Führungspositionen tätig. Davon viele Jahre in unterschiedlichen Vertriebs- und Vertriebsausbildungsrollen. In ihrer aktuellen Rolle evaluiert sie die Anforderungen von Geschäftskunden, um Produkte und Portfolio zu erweitern und anzupassen. Darüber hinaus engagiert sich Sabine als systemischer Business-Coach, Mental-Coach und Trauerbegleiterin. Sabine, wir haben uns natürlich im Vorfeld mit dir beschäftigt und du stellst folgende Thesen zur Diskussion. Du sagst, Neurodiversität bietet ungeahnte Potenziale für Gesellschaft und Wirtschaft. Dann sagst du, Unternehmen müssen ein inklusives Arbeitsumfeld schaffen, um außergewöhnliche Talente anzuziehen. Und du sagst, generative KI ermöglicht die gezielte Förderung und Integration neurodiverser Talente. Uli, wir kommen heute zum Thema Neurodiversität. Und ich frage mich natürlich, wann bist du denn zum ersten Mal bewusst mit dem Begriff Neurodiversität in Berührung gekommen und was hat ihn für dich damals so bemerkenswert gemacht? Und was ich natürlich auch gerne wissen würde, fällt dir vielleicht sogar eine konkrete Situation ein, in der du erlebt hast, wie Vielfalt das Zusammenleben oder die Arbeit bereichert hat?
Speaker1:[2:04] Ja, danke lieber Markus. Also ich bin das erste Mal damit in Verbindung gekommen, Ende der 90er Jahre. Also da war dieser Begriff das erste Mal so wirklich präsent, um ganz ehrlich zu sein. Davor war es eher immer so Richtung Inklusion. Also das heißt, wie schafft man denn wirklich inklusive Umgebungen, wo Menschen halt auch mit ihren Stärken und ihren Fähigkeiten auch auf den unterschiedlichsten Weisen wahrgenommen werden können und damit logischerweise halt auch dieses Potenzial abgegriffen werden können.
Speaker1:[2:32] Ich sage immer, hätte man schon zu meiner Schulzeit ADHS gekannt, dann wäre ich garantiert da reingefallen, garantiert, weil ich war immer etwas auffällig in der Form, dass ich so wibbelig bin und nie irgendwie sitzen kann und sonstige Themen, aber nichtsdestotrotz, ich glaube, das ist einfach einer der Stärken, in der wir uns jetzt heute befinden, in dem halt diese Möglichkeiten dieser verschiedenen, guck nur mal auf Autismus, Also das sind Menschen, die können Dinge merken, das raffen wir normalos nicht. Und das ist halt so ein Thema, wo ich sage, wenn wir diese Stärken tatsächlich nutzen können und in verschiedene Perspektiven bringen, dann schafft das ganz neue Möglichkeiten für uns als Gesellschaft und auch gleichzeitig für uns als Welt und als Society, wenn man so schön sagt. Und das ist halt eine Chance, in der wir drinstecken. Und daher ist für mich Neurodiversität ein großes und spannendes Feld, weil es halt die Diversität hat nochmal ganz weiter spannend als die bisher bekannte. Und daher, liebe Sabine, sind wir total froh, dass du heute hier bei uns bist, so als Superwoman. Und da kommen wir gleich nochmal ein bisschen drauf. Aber ich würde gerne erst nochmal direkt so eine Frage an dich stellen, nämlich zu sagen, wie bist denn du daran gekommen? Also wie bist du denn das erste Mal in eine Verbindung gekommen? Und was hat dich daran so gefasst und gepackt?
Speaker0:[3:57] Ja, vielen lieben Dank. Und Uli, ich glaube, du hast es schon so ein bisschen gesagt. Also das Thema Neurodiversität oder Neurodivergenz, können wir gleich gerne nochmal darauf einsteigen, was so eigentlich der Unterschied da ist.
Speaker0:[4:07] Ist aber auch nochmal, damit wirst du geboren und damit stirbst du auch. Also das ist nichts, was irgendwann verschwindet. Und natürlich war ich immer schon so ein bisschen anders als die anderen Kinder. Ob das jetzt zu Schulzeiten war, wie du schon sagst, es gab früher so auffällige Kinder.
Speaker0:[4:24] Oder auch die stillen Kinder. Und ich habe vielleicht andere Sachen anders gedacht, anders gemacht, Entscheidungen anders getroffen, wo auch manchmal irgendwie Leute irritiert waren. Und ich sage immer gerne, in meinem Berufsleben war zum Beispiel so, dass ich eben immer wieder festgestellt habe, ja, jeder meint, PowerPoint ist das Ding, was du brauchst zum Überleben. Ja, so, da sage ich eben totaler Bullshit. Ja, also ich frage mich immer, where is the power in these points? Ja, das finde ich dann immer nicht so. und sage eben, für mich ist Arbeiten im Konzern auch 26 Jahre ohne PowerPoint und ohne Excel. Ja, das geht. Das heißt, ich mache es anders. Ich stelle mir Sachen eben anders vor. Und das ist mir klar geworden. Und irgendwie fühlst du dich ja immer so ein bisschen wie so ein Alien. Zwischen diesen, du sagst die Normalos, Neudeutsch heißen sie neurotypisch. Und da habe ich dann eben auch letztes Jahr oder vorletztes Jahr war es sogar schon, Da habe ich eben meine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht und wer mich so ein bisschen kennt, weiß ja, ich bin bunt und laut und immer hier die Klappe auf und so und komme da hin und nach so zwei, drei Stunden sagt die Kollegin, die da neben mir sitzt, sagt sie, ach lustig, bist du auch Autistin? Und da sage ich, nicht, dass ich wüsste.
Speaker0:[5:40] Und dann sage ich, und wer bist du, dass du das überhaupt fragen darfst? Und dann hat sie gesagt, ja, ich leite eben bei SAP seit zehn Jahren eben quasi das Autism at Work Programm. Und ich habe einen autistischen Sohn. Und du hast so Pattern, so wie du sprichst und wie du dich verhältst. Und dann hat sie gesagt, wie weit kennst du dich denn mit Neurodiversität aus? Und da habe ich angefangen, da mal ein bisschen rumzukramen. Und ich bin ja jemand, der super gerne lernt und habe mich da wirklich mal reingebohrt in das Thema und muss sagen, dann ist mir irgendwann aufgefallen, ich kann ja nicht das einzige Einhorn auf dieser Erde sein. Wo ist denn meine Herde? Wo sind denn die anderen durchgeknallten? Und dann habe ich eben angefangen zu schnorcheln und habe da auch jemanden dann bei uns im Unternehmen gefunden. Und ja, so hat das eigentlich alles angefangen.
Speaker1:[6:32] Hast du denn jetzt schon mehr Einhörner gefunden? Ja. Und wenn du da so ein Stück weit eingestiegen bist.
Speaker0:[6:38] Ja, ich habe endlich meine Herde gefunden. Und ich glaube, das ist eben auch so, dass natürlich ist da jetzt keiner so, der Autist ist eben in seinem Verhalten anders vielleicht. Oder der Mensch mit ADHS oder der Hochsensible oder der Hochbegabte. Und ich habe aber gemerkt, dass da ganz viele Einhörner auch sind. Das Ding ist nur, die sind sehr, sehr scheu in der heutigen Welt. Und das ist ja wieder so etwas, darüber wollen wir nicht reden. Brauche ich eine Diagnose? Ich meine, ich kann jetzt da auch die ganzen Sachen, die dann immer so wieder angefragt werden. Brauche ich eine Diagnose? Braucht das Kind einen Namen, damit es zu mir gehört? Für mich nicht. Es geht eben darum, diese Andersartigkeit mehr in den Vordergrund zu stellen. Und wie du schon eingangs gesagt hast, das Potenzial, das Skillset, vielleicht auch die Superpower, die der ein oder andere mitbringt, die total im Verborgenen bleibt, weil die Umgebung nicht da ist, um das auszuleben. Da bin ich eben auf die Suche gegangen und habe eben überall mal geguckt. Und ich für mich kann heute sagen, wir haben Ende letzten Jahres angefangen, da waren wir ungefähr zehn. Heute sind wir fast 700 Mitglieder in der Community alleine bei der Deutschen Telekom. Und das zeigt mir, das ist jetzt kein Thema, was jetzt keinen Menschen interessiert.
Speaker2:[7:59] Lass uns doch vielleicht nochmal zu dem Begriff kommen. Was versteht man denn unter Neurodiversität eigentlich? und warum ist es eigentlich auch wichtig, den Begriff differenziert zu betrachten?
Speaker0:[8:08] Ja, super Punkt und super wichtig, weil ich sage mal so, dass neurodivers sind wir alle. Also jeder hat so seine Macken und jeder tickt so ein bisschen anders. Und das ist auch gut so. Unter Neurodivergenz versteht man vielmehr eine besondere Ausrichtung. Und bei weitem ist das jetzt nicht alles, aber es gibt ganz, ganz viele Themen. Wir fokussieren uns jetzt erstmal so auf die Hot Topics, die wir so sehen, wo auch in der Wissenschaft und auch heute in den Diagnosen noch mehr Erkenntnis ist, als vielleicht vor 30, 40, 50 Jahren, wo man gesagt hat, das Karlchen, das ist ja ein Zappel Philipp in Köln oder der kriegt ja auch den Mund nicht auf. Und da hatte das keinen Namen. Und es ist wirklich so mehr die Autisten, die Menschen mit ADHS.
Speaker0:[9:03] Die Hochsensiblen, obwohl das eher quasi jetzt gar nicht so tief eine Neurodivergenz ist, es ist eine Ausprägung eben. Und dann hat man eben das ganze Thema Hochbegabung und Dyslexie, Dyskalkulie, das sind alles Themen unserer heutigen Zeit. Wie gesagt, die gab es früher genauso wie heute. Nur heute wird eben viel mehr geforscht. Heute weiß die Wissenschaft auch viel mehr darüber. Und heute sieht man auch, wie wichtig es ist. Und dafür bin ich sehr dankbar, auch zu sagen, wir schieben es mal wieder ein bisschen in den Vordergrund und gucken uns das genauer an. Und ich sage immer ganz gerne, du hast meistens Flö und Läuse. Du hast meistens nicht nur Autismus, sondern da ist immer noch was dabei. Also entweder ADHS, deswegen heute gibt es auch viele Menschen mit AU-DHS oder da ist die Hochbegabung dazu. Und vor allem durch Prominente, die jetzt, und das ist auch sowas, was ich sehen musste, wenn ich aus Köln komme, Das ganze Thema Outing, Homosexualität vor 20 Jahren, da sind wir heute mit Neurodivergenz, muss ich ganz ehrlich sagen. Und das Gute ist, es gibt ein paar Promis, man kann jetzt halten von denen, was man will, aber Elon Musk oder Greta Thunberg zum Beispiel, die sind auch auf dem Spektrum. Und auch da nochmal zu sagen, was bedeutet Spektrum, da können wir gerne auch nochmal drauf eingehen.
Speaker2:[10:23] Was bedeutet ein Spektrum? Gehen wir vielleicht direkt drauf ein.
Speaker0:[10:25] Ja, also Menschen denken ja immer, also das ist immer so ganz niedlich, weil immer die Menschen denken, jeder Autist ist so ein Rainman. Das ist so einer, der kann dir jetzt alles im Kopf berechnen und der hat so böses Wort Inselbegabung. Vielleicht erst mal eine Frage an euch hier. Wisst ihr, wie viele es diesen Menschen, diese Savants auf der Welt überhaupt gibt, von diesen Menschen, die mega begabt sind? Habt ihr eine Idee? Macht mal einen educated guess. Also weltweit, ne?
Speaker1:[10:58] Also weltweit. Ich würde mal sagen 0,01%.
Speaker0:[11:03] Also neben mir noch 99.
Speaker0:[11:11] Also auch da muss man auch wieder sagen, also diese Erwartungshaltung, wenn einer zum Beispiel sagt, oh, da ist ein Autist, dann sofort denken, oh, der ist total hochbegabt und der kann jetzt weiß ich nicht was alles. Sorry, da muss ich auch ganz oft die Leute ja auch ein bisschen enttäuschen. Ja, weil es sind natürlich Menschen wie du und ich. Und Spektrum bedeutet einfach, es ist eben, du kannst, manche sind eben sehr autistisch, weniger autistisch. Es kommt immer darauf an, wie die Situation ist und wie sich das das Ganze so verhält. Und es sind ganz viele, viele Themen. Die meisten Autisten, genau wie jetzt zum Beispiel auch Hochbegabte oder so, was sie eben haben, ist ein Fokus auf ein besonderes Thema. Die kennen sich sehr, sehr gut aus mit einem bestimmten Thema. Und die sind auch zu dem, also als ich jetzt zum Beispiel meine Kollegin kennengelernt habe, die die diagnostizierte Autistin ist, für Autisten bin ich der totale Albtraum. Ja, ich komme in irgendwo rein, habe dann vielleicht keine Struktur, ich labere einfach drauf los, ich habe vielleicht jetzt auch keine Agenda dabei und so weiter und es ist aber auch so, dass wir heute und das ist etwas, was mein größtes Learning auch war in den letzten Jahren oder beziehungsweise seitdem ich jetzt so eng mit ihr auch zusammenarbeite in dieser Community, zu zeigen, wie geil es eigentlich ist, wenn du so unterschiedlich bist, ja, Wenn ich sage, die hat ein Skill.
Speaker0:[12:40] Was ich nicht bedienen kann, die ist mega strukturiert, die macht immer die PowerPoints für unsere Sessions, die macht die Organisation, sie weist dann aber auf, weil sie ist jetzt nicht der Typ, der dann sagt, Sabine, geh du lieber auf die Bühne, mach du das, du kannst frei reden, du hast ein anderes Skillset als ich.
Speaker2:[13:01] Und wenn wir von den Fähigkeiten kommen und auch nochmal zu der Frage nach dem ungeahnten Potenzial für Gesellschaft und Wirtschaft. Welche gesellschaftlichen Vorteile und Chancen siehst du denn konkret in der Förderung neurodiverser Begabungen?
Speaker0:[13:15] Also ich sehe da eine Menge Potenzial und ich sehe aber auch, dass da gerade Deutschland auch eine Menge Potenzial und echt Golden Nuggets einfach liegen lässt. Ja, weil alle heulen rum, Fachkräfte mangeln, mi, mi, mi. Und es ist aber auch so, dass ich sagen muss, es gibt ja immer diese zwei Themen. Also das eine ist, ich habe Teams. Ja, wie halte ich die gut zusammen? Es ist eben mehr als nur Geschlecht. Ja, Diversität fängt auch da an, wo man vielleicht mal andere Ansätze hat, man anders denkt. Und gerade heute in der agilen Welt brauchst du auch so Leute, die das so mitbekommen. Ich habe zum Beispiel auch gerade eine Ausbildung zum New Work Facilitator gemacht. Da geht es ja auch immer so ein bisschen, hast du jemanden vielleicht im Team, der so die Stimmung mal so ein bisschen abchecken kann. Das ist zum Beispiel etwas, was hochsensible Menschen super gut können. Weil die merken, die kommen in den Raum rein und bevor es Stress gibt, wissen die schon, dass es Stress geben wird. Und das finde ich ja natürlich total faszinierend. Und wir sehen heute, dass natürlich viele von diesen neurodivergenten Menschen, und das ist ein sehr trauriges Kapitel dieser Geschichte.
Speaker0:[14:24] Ist, genau wie du es gesagt hast, Uli, die meisten kommen irgendwie durch ihre Schulzeit. Ja, die meisten mit ADHS, die haben natürlich auch, sind so, haben Stampf in allen Gassen, ja, die haben zum Beispiel auch sehr oft unklare CVs, ja, die springen mal von A nach B, die haben nie so ein stringentes, ja, wenn du dich damit irgendwo bewirbst, bist du gleich einer, oh, komm mal, der ist nicht committed, ja, wenn dem hier irgendwas nicht passt, dann haut der direkt wieder ab. Und wir versuchen eben genau, diese Menschen zu erreichen. Und das fängt auch gerade so im Markt an, wo ich sage, und das sind nicht immer nur die Nerds. Ja, also viele denken ja immer so, der Autist ist immer der, der im Keller sitzt, ja, Vitamin D arm ist und irgendwie keinen Menschen sehen möchte. Nein, also es gibt ja auch Menschen, die das ganz anders machen. Die gibt es im Vertrieb, die gibt es in der Produktion, die gibt es in der Produktentwicklung. Und einfach das mal mit reinzudenken. Und wir haben ja auch, es gibt Studien von Deloitte und auch vom Forbes-Institut, da habe ich gerade einen super spannenden Artikel dazu gelesen, wie viel mehr Motivation, Zielerreichung, auch diese Diskussion, ja, also manchmal ist es auch ganz gut mal anzuecken und auch mal zu diskutieren. Das haben wir ja total verlernt irgendwie.
Speaker0:[15:42] Und dann auch noch mal auf den Prüfstand zu stellen, ja, weil ich bin natürlich so ein Typ, Und ich frage dann immer, verstehe ich jetzt nicht, macht für mich keinen Sinn. Ja, und dann sagen alle, ja, aber das haben wir doch immer so gemacht, Sabine. Und dann sage ich, ja, kann ja sein. Ja, also ich meine, Entschuldigung, guck dir mal Deutschland an, guck dir mal die Autoindustrie an, die haben sich auch ausgeruht auf ganz vielen Sachen, wo sie gesagt haben, haben wir doch immer so gemacht. Und schwupps, auf einmal, ja. Das versuchen wir wirklich schon von der Ausschreibung. Und wenn ich euch beide jetzt fragen würde, wenn in der Ausschreibung drinstehen sollte, muss sehr kommunikativ sein, heißt was? I don’t know.
Speaker1:[16:23] Ja, das sind ja auch sehr subjektive Begriffe. Was ich mir aber schon vorstellen kann, das ist ja ähnlich wie agiles Arbeiten. Du brauchst für so eine Inklusion, brauchst natürlich A, Aufklärung und auch vor allen Dingen multiseitige Toleranz. Und wir Menschen sind ja manchmal ein bisschen kompliziert.
Speaker0:[16:43] Ach so.
Speaker1:[16:44] Ja, also bring zwei Menschen in den Raum und schon hast du Komplizität. Ja, ein Problem will ich nicht sagen, aber du kannst dich halt relativ schnell missverstehen. Wie erlebst du das denn, gerade wenn ihr das auch jetzt im Unternehmen fördert? Also wie schafft man so eine Plattform, dass da tatsächlich eine Aufklärung und Toleranz auch geschaffen wird.
Speaker0:[17:07] Bin ich total bei dir. Es ist ein schmaler Grat. Also ich sage mal so, ich habe damit angefangen und ich bin überzeugt davon, dass es wichtig ist und dass es der richtige Weg ist. Also die einen sagen, ey Sabine, du bist mutig. Die anderen sagen, ich würde sagen, ich bin stumpf. Ja, ich mache einfach weiter. Die Aufklärung ist der wichtigste Teil, weil die meisten Menschen wissen gar nichts über Autisten. Ja, und auch da, kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten, ja, und auch da wirklich, und ich glaube, was ich merke, ist, alleine dieses mal anzusprechen, rauszugehen, wir machen ganz viele so Leg Sessions, also Learning from Experts, ja, wo wir in Barcamps, wo wir auch in anderen Unternehmen, mit denen ich eng zusammenarbeite, das sind große Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder auch die Deutsche Bank, Lufthansa, SAP, wie sie alle heißen, Weil wir merken natürlich alle, dass das echt ein wichtiger Teil ist, diese Andersart zu denken, weil du brauchst jetzt auch Leute, die mal einen frischen Wind reinbringen. Und heute die jungen Leute, die heute zu uns kommen, die sind da viel, viel mehr, die sind vielleicht schon diagnostiziert, die sind viel weiter, als wir es eben damals waren.
Speaker0:[18:17] Und das ist etwas, natürlich gibt es auch viele, die sagen, ey, hau mir bloß ab mit irgendeinem neuen Kram. Ja, was muss ich denn jetzt noch alles machen? Und das ist etwas, was natürlich auch ein Thema ist. Du wirst da nicht jeden erreichen. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt, wie viele wir damit erreichen, wie viel positives Feedback wir zu denen bekommen. Und ich war gestern zum Beispiel in einer Session, da hat eine Kollegin, die hat von Herzen geweint, weil die gesagt hat, ihr seid das erste Mal seit 56 Jahren, dass das mal jemand anspricht, dass jetzt mal keiner mich verurteilt, sagt, du bist falsch, du machst dir was falsch.
Speaker0:[18:59] Momentan merke ich sehr, sehr viel Dankbarkeit. Sind wir da, wo ich hätte sein wollen? Leider noch nicht. Ich mache das hier neben meinem normalen Job. Das ist die ganze Arbeit, die ich da mache. Das ist on top. Das ist etwas, was wichtig ist. Wir müssen da noch mehr raus. Ich glaube, es muss noch lauter werden. und es müssen noch mehr Barrieren runtergerissen werden. Und viele Eltern, das kommt auch hinzu, du hast aber auch in den Unternehmen viele Eltern von neurodivergenten Kindern, die jetzt vielleicht auch ein Thema haben, die eine besondere Betreuung brauchen, die auch frustriert sind. Und was ein wichtiger Punkt ist jetzt bei uns zum Beispiel, wir haben das große Glück, die Birgit Bohle, das ist unsere Vorständin für HR, die hat eben selber ein autistisches Kind, die weiß, was das bedeutet, Die kann das alles nachvollziehen. Die unterstützt uns auch da, wo sie kann. Und was aber ein ganz wichtiger Punkt ist, und das unterschätzen die meisten Unternehmen, neurodivergente Menschen, die ein Umfeld bekommen haben, in dem sie sich wie ein Schmetterling entfalten können, sind unglaublich loyal. Das sind die loyalsten Mitarbeitenden.
Speaker1:[20:14] Also ich meine, dadurch, dass du ja viel auch mit den Teams arbeitet und das auch stark gefördert wirst, wie machen sich halt so Momente bei dir bewusst, wo Menschen erkennen, welche Potenziale dahinter sind? Also weißt du, du kannst viel darüber reden, aber es gibt ja immer so Moments of Truth, wo plötzlich Menschen so aufstehen und sagen, I got it, I got it, hallelujah, genau.
Speaker0:[20:39] Ja, das ist gut, dass du das sagst, weil ich glaube, was ich so krass finde, ist, wir machen natürlich ganz viel Leadership-Aufklärungstrainings, weil die meisten Mitarbeitenden, und ich glaube, was so ein bisschen traurig ist manchmal, ist auch in Schulen so, der will mich ärgern. Dieser Mitarbeitende hat sich zum Zweck gemacht, mich zu ärgern. Das ist das, was die meisten ja denken. Bei zehn Leuten klappt es mit neun und mit dem einen klappt es einfach nicht. Der hat sich jetzt einfach vorgenommen, dir den ganzen Tag auf die Nerven zu gehen. Und wenn ich dann so hingehe und dann zum Beispiel so Beispiele nenne, wie neurodivergente Menschen wollen zum Beispiel nie mit zum Mittagessen gehen, weil denen ist das zu laut in der Kantine, die brauchen das gerade nicht.
Speaker0:[21:24] Die sagen dann immer, guck mal, was für ein Spalter, der will überhaupt nicht mit zum Team irgendwas machen. Dasselbe gilt aber auch für Team-Offsides und so weiter. Es ist so schön dieser Moment, wo die dann erkennen, das macht der gar nicht extra. Das ist jetzt gerade vielleicht Selbstfürsorge. Und wenn ich denen dann auch mal den Spiegel vorhalte und sage, du Uli, wie oft hast du den denn gefragt, warum kommst du denn mal nicht mit zum Mittagessen?
Speaker0:[21:50] Oder ihn gefragt, wie oft willst du denn, wieso kannst du denn nicht auch mal hier, keine Ahnung, irgendwas zum Lanschen holen und wir setzen uns in einen ruhigen Raum? Das ist so ein bisschen das Thema, wo für die meisten dann irgendwie so ein bisschen der Eye-Opener ist.
Speaker0:[22:08] Und diesen Moment immer öfters zu bekommen und zu sagen, okay, was brauchen wir da anders? Wir haben uns so Formate überlegt, wo wir mit den Führungskräften und da wirklich so Aufklärungsformate machen, wo wir miteinander überlegen, was bedeutet das denn zum Beispiel für Meetings? Ja, was brauchen die neurodivergenten Menschen zum Beispiel für Setups, ja, wie eine Agenda, ein Protokoll. Also ich meine, das ist jetzt alles nicht Rocket Science, aber alleine schon diese kleinen Themen, die helfen den meisten einfach zu verstehen, ah, okay, vielleicht ist er immer wieder gestresst, weil er nicht weiß, wo er hin muss oder er ist gestresst, weil ihm das da zu laut ist. Und was ich den meisten und viele bedanken sich danach auch nach so einem Termin und sagen, jetzt macht das auch total Sinn, warum dieser Mitarbeitende vielleicht ein bisschen komisch reagiert hat. Und wir sind hier auf dem Weg, da wirklich auch zu sagen, wie muss denn zum Beispiel ein Offsite gemacht werden, wie müssen unterschiedliche Themen gemacht werden. Die meisten neurodivergenten Menschen haben jetzt, sorry, auch keinen Bock auf den Weihnachtsmarkt zu gehen oder so. Die wollen doch nicht mehr back to office. Und das sind alles Themen, die, auch das, das tut weh. Da komme ich immer auf eine Fingerwunde. Aber das ist etwas, da muss man dann mal ran.
Speaker2:[23:35] Wenn jetzt ein Unternehmen zu dir kommt und über das Thema sprechen möchte, welche zentralen Maßnahmen würdest du dem Unternehmen denn empfehlen, um ein wirklich inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?
Speaker0:[23:46] Also ich würde anfangen mit, also Punkt 1, Aufklärung ist das Wichtigste. Punkt 2 ist einfach auch mal in sich zu gehen und zu sagen, also wenn ich das ein bisschen verstanden habe, es gibt ja auch so ganz klassische, woran erkenne ich vielleicht einen Autisten oder einen ADHSler. Zum Beispiel ADHS, das sind meistens Menschen, die brennen. Die wollen 800 Projekte machen und kriegen die nie fertig.
Speaker0:[24:13] Und auch da zu sagen, stimmt, ich sehe Führung oder Leadership, das wichtigste Gut, was du hast, ist der Mensch. Und dafür bist du da, du musst dich mit deinen Menschen auseinandersetzen und wenn du merkst, ey, der macht immer wieder, da ist irgendwie ein Muster drin, also wenn ich jetzt 10, 15 Jahre mit dem arbeite, dann die wenigsten Menschen fragen ja mal, was brauchst du denn jetzt gerade oder also was ist denn jetzt gerade so ein bisschen das Thema und ich glaube, dass also Aufklärung, wir haben zum Beispiel so ein Handbuch geschrieben mit unserer HR-Abteilung zusammen, um zum Beispiel auch zu sagen, arbeiten mit neurodivergenten Menschen im Team. Manche brauchen so eine Bedienungsanleitung, um das ein bisschen näher zu bringen. Und natürlich auch immer wieder zu sagen … Manchmal reichen auch kleine Sachen. Bietet einfach einen Raum an, wo jetzt kein Lärm ist.
Speaker0:[25:10] Oder bietet einfach verschiedene Möglichkeiten an. Seid kreativ. Das Spannendste letztens zum Beispiel war auch typisches Verhalten von einem ADHSler, wo die Führungskraft mich angerufen hat und gesagt hat, hey Sabine, ich habe ein Problem. Ich habe da einen Mitarbeitenden, der will nicht in Urlaub gehen. Dann sage ich, okay, hast du es ihm gesagt? Ja, ich habe dem das jetzt dreimal gesagt und habe ihm gesagt, wenn er das nicht macht, dann verfällt der Urlaub. Und dann sage ich, okay, du als Führungskraft hast ja jetzt erst mal deine Arbeit getan. Ja, aber der muss doch in Urlaub gehen. Aber das ist doch nicht deine Entscheidung. Weil die meisten Menschen mit ADHS, die können das ganz schlecht. Vor allem können die ganz schlecht jetzt sagen, ich muss jetzt vier Wochen weggehen. Das geht gar nicht. Wie soll dieser Laden hier überleben ohne mich?
Speaker0:[25:54] Und auch da zu gucken, und da fehlt es mir manchmal an Kreativität von manchen Leuten, nochmal zu sagen, was könnte man denn mal was anderes anbieten und deswegen ich biete immer wieder so Themenmöglichkeiten, Austausch, wie gesagt, wir werden auch ganz oft zu Unternehmen eingeladen, um einfach unsere Erfahrungen zu teilen und ich glaube, was, den meisten Menschen fehlt, ist eben so ein Role Model, ja, das sehe ich bei Frauencommunities, das sehe ich bei Behinderten, es fehlen die Role Models, die zeigen, hey, das ist cool, Also ich habe auch noch nie jemanden erlebt, der gesagt hat, boah geil, du bist Autist, ey, du rockst die Welt. Ja, das hat immer so einen negativen Touch. Da müssen wir rauskommen aus meiner Sicht.
Speaker2:[26:42] Ich hatte bei der Vorbereitung gelesen, dass die Begriffe Neurodiversität oder auch Neurodivergenz, wie du sagst, oft kritisiert werden, da sie auch eine Verharmlosung von Krankheitsbildern darstellen. Wie siehst du das?
Speaker0:[26:58] Verharmlosung ist ein schwieriges Thema. Was willst du erreichen? Ja, also das eine ist oft, viele Autisten zum Beispiel sind schwerbehindert. Ist das so? I don’t know. Ja, also natürlich, das Problem ist meistens, dass auch mit der Neurodivergenz ganz oft On-Top-Krankheiten dazukommen. Warum ist das aber so? Die meisten Menschen werden ja auch sehr spät diagnostiziert. Also zum Beispiel auch Frauen werden im Schnitt erst zwischen 30 und 37 diagnostiziert. diagnostiziert. Das hat auch was mit dem Verhalten einer Frau zu tun, mit den Glaubenssätzen zu tun. Frauen müssen immer lieb und nett sein und sich anpassen. Was alle neurodivergenten Menschen gelernt haben, ist sich anzupassen, um in der Gesellschaft zu überleben. Die, die es nicht geschafft haben, ganz klar, in den USA sind 85% der Autisten arbeitslos und damit Drogen, Alkohol und meistens medikamentenabhängig, weil die kriegen immer nur gehört, kannst du nicht, falsch, Mach sie nicht. Die haben ja auch keine Selbstwirksamkeit. Die meisten, die ich kenne mit ADHS oder so, die wurden wegen Panikattacken erstmal überhaupt, das waren so die ersten Anzeichen.
Speaker0:[28:13] Oder Depressionen oder oder oder. Und ich glaube, dass neurodivergente Menschen einen Raum brauchen, um das quasi zu können und aber auch ihre Selbstwirksamkeit wiederzulernen. Also ich glaube, jeder von uns würde irgendwann durchdrehen, wenn er immer nur hören würde, nee, also das machst du jetzt falsch und das machst du jetzt falsch und das machst du jetzt falsch, dann traust du dir irgendwann auch nichts mehr zu.
Speaker0:[28:39] Braucht das jetzt einen Namen, auch da wieder? Wenn das der Weg ist, dass die Gesellschaft ein Gehör dafür bekommt, dann ist das das Vehikel. Für mich ist es, ich gucke euch an, die meisten auch, die eine Behinderung haben oder schwerbehindert sind, die Leute tun sich eben schwer, wenn man es nicht sieht. Alle sagen immer, Sabine, du siehst ja aus ganz normal. Und dann sage ich, aber warte mal, wenn du dich mit mir unterhalten hast. Und diese Themen auch da nochmal ein bisschen anzuzeigen, dass die Menschen viel mehr Facetten haben als das, was du nur siehst.
Speaker1:[29:17] Ich glaube, was in dem Zusammenhang wichtig ist, Sabine, das höre ich zumindest auch so ein Stück weit von deinen Thesen raus, ist halt die Normalität, die wir so lernen, einfach in Frage zu stellen. Und die nicht als die Norm anzunehmen, sondern eher als die Ausnahme. Und das ist halt da, wo sich dann halt jeder an die Nase fassen kann und jede, zu sagen, was kann ich denn jetzt so beitragen, meine Normalität so ein Stück zu verlernen, sodass ich aufgeschlossen bin für genau diese Themen.
Speaker0:[29:44] Ja, und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt, Uli. Und auch da wieder die Neugier zu haben, ja, auch das Mindset zu haben, auch Andersartigkeit überhaupt zuzulassen, ja, das fehlt mir ganz oft. Das hat ja auch was mit Toleranz und Empathie. Ich sage ja noch nicht mal, dass das jeder akzeptieren muss, aber wenigstens tolerant genug zu sein und zu sagen, ach, interessant, ist ja auch ein Weg. Ich will euch mal ein Beispiel geben. Ich musste meine Abschlussarbeit schreiben. Die musste am 29. abgegeben werden. Am 28. Morgens ist mir eingefallen, ich weiße, morgen, da blinkte es irgendwo bei mir auf. So, dann, alles klar, 28, hatte ich keine Zeit, habe ich gesagt, okay, 29, da muss das Ding raus. 16 Seiten, also ich musste das bei der IHK einreichen, 16 Seiten nach Struktur mit einer Selbstbeurteilung.
Speaker0:[30:43] So, da habe ich mich dann um 17 Uhr hingesetzt und habe das runtergerotzt, 23,59 hochgeladen. Ist das der richtige Weg? Nein, es ist meiner. Wenn jetzt natürlich ein Manager mich alle drei Stunden fragt, wo stehst du denn mit deiner Arbeit? Dann sage ich natürlich, ich habe noch nicht mal angefangen. Dann kriegt der Puls. Und genau dann aber zu sagen, okay, aber ich bin ja ans Ziel gekommen und ich habe auch bestanden. Und das spricht ja dann auch trotzdem für mich. Also ich in meiner Selbstwirksamkeit habe ja gelernt, das zu tun.
Speaker0:[31:21] Und diese Normalität oder auch vielleicht ein Beispiel, wo die meisten echten Herzinfarkt kriegen, wenn sie das hören, als wir unsere große Messe hatten, hier die Digital X. Und die Sarah und ich, wir sollten dann eben einen Vortrag halten. Es war voll. Ich war wieder, ich bin nie vorbereitet. Also ich renne durch Köln, weiß noch nicht mal, wo der Raum ist, wo ich hin muss. Dann ruft mich dieser Mensch vom Facility Management an. Um elf sollte der Vortrag sein. Um zehn vor elf ruft er mich an und sagt, Frau Buch, kommen Sie noch? Und da sage ich, ich habe noch zehn Minuten. Da sagt er ja, hier sitzen irgendwie schon 150 Leute und warten auf Sie. Und ich so, ich komme. Und dann um fünf vor elf ruft die Sarah mich an. Und wisst ihr, das Erste, was ich gedacht habe, Sabine, du bist so ein schlechter Mensch. Die Sarah, ich muss jetzt da mit diesen fremden Leuten stehen. Ich bin schon wieder zu spät. Die ist voll im Stress. So, habe mich mega, wirklich richtig schlecht gefühlt. Und dann ruft die Sarah mich an und sagt, Sabine, ich habe keinen Parkplatz gefunden. Ich bin nach Hause gefahren. So, und bei den meisten Menschen geht dann irgendwo so ein Klappmesser auf und denken, das hat sie jetzt nicht wirklich gebracht.
Speaker0:[32:33] Und alle danach haben gesagt, und warst du denn nicht total böse? Und dann habe ich gesagt, nee, ich wäre ja nicht, nicht ich oder nicht würde mich mit dem Thema auseinandersetzen, wenn ich dann böse wäre. Und genau diese Toleranz zu haben und ich habe dann nur gesagt, weil sie hat gesagt, Sabine, ich weiß, du bist nicht vorbereitet, ich schicke dir schnell die PowerPoint, du rockst das, ich voll in meiner Komfortzone, tschakalaka, das Ding gemacht. Ja, so und aber auch diese Denkweise, ja, ist natürlich und ich glaube.
Speaker0:[33:05] Uli, das Thema ist auch so ein bisschen, manche Leute leben so in ihrer Bubble, wo ich jeden immer einlade und sage, komm doch einfach mal mit mir raus, guck dir mal die Welt da draußen an. Ja, und das fehlt mir heute, um auch das zu lernen.
Speaker2:[33:23] Jetzt kommt ein neuer Kollege ins Spiel, der heißt Generative KI.
Speaker0:[33:27] Oh, mein Freund.
Speaker2:[33:29] Der uns vielleicht auf ein nächstes Thema bringen kann, nämlich die gezielte Förderung, die Ration. Neuro-diverser Talent. Ja, was denkst du, welche spezifischen Möglichkeiten bietet denn generative KI, um die Integration neurodiverser Menschen in Unternehmen zu erleichtern?
Speaker0:[33:44] Ja, ich sage ja ganz, manchmal sage ich ja, da, wo keine natürliche Intelligenz ist, brauche ich ja künstliche. Und ich bin ja ein großer Freund von all dem. Mein Chat-GPT heißt ja Florence und die ist auch meistens empathischer. Und mit der kann ich auch mich super austauschen. Und ich muss sagen, für mich ist das der totale, ich nenne sie mal, mein Assistent geworden.
Speaker0:[34:10] Alleine a text to PowerPoint. Mega. Also all solche Sachen. Ich habe ganz viele Menschen, die auch lernen ihre Strukturen quasi. Ich habe alles. Ich habe eine Uhr, die mir sagt, okay, jetzt machen wir das, jetzt machen wir das. Also ich habe mir diese ganzen technischen Hilfsmittel auch für mich, um auch zu sagen, okay, was brauche ich jetzt gerade? Für mich ist es eben Excel, PowerPoint völlig unlogisch. Völlig. Ich habe auch manchmal Leute, und das tut mir auch sehr leid, die zum Beispiel irgendwie eine Abrechnung machen müssen über SAP. Im Sinne von so einem Portal, die heulen, zusammenbrechen und am liebsten den Rechner rausschmeißen, weil Barrierefreiheit, sorry, kennt dieses Level gar nicht. Ja, also meistens ist es auch so, dass ich eben sage, diese Dinge werden vielleicht noch, wenn du Glück hast, für Blinde und für Taube gemacht und dann war es das auch schon. Und deswegen KI, ob das jetzt diese ganzen Text, also Speech-to-Text sind, ob das sind Einträge, Kalender, ne, hier, wo brauche ich was? Aus meiner Sicht, ich bräuchte noch viel, viel mehr. Ich hätte acht Millionen Ideen, was ich anders machen könnte. Ich hätte auch gerne so eine API, wo ich einfach oben was prompte und eben sage, wo in meiner ganzen, ne, ich gehöre zu diesen, ich habe immer 800 Fenster offen, ja, also die kriegen alle eine Krise da drüber.
Speaker0:[35:35] Aber genau diese Strukturen zu haben, die mir, die Technologie, wobei sie mir helfen kann, meinen Tag und eben auch das normale Leben besser quasi zu verarbeiten, da bin ich super großer Fan von. Und ich glaube, dass, also für mich ist es jetzt so, dass da immer mehr coole neue Tools auf den Markt kommen, mit denen ich, sage ich mal, viel einfacher in der neurotypischen Welt, das macht für mich trotzdem noch immer keinen Sinn, aber was ich ja auch gelernt habe, ich muss ja irgendwas entwickeln, eine Sprache entwickeln, die da draußen verstanden wird, weil die wenigsten sich ja auf meine Ideen einlassen werden.
Speaker2:[36:23] Uli, wie ist deine Sicht?
Speaker1:[36:25] Ich finde, das ist ein super Beispiel, weil die Sabine kennt das, meine These ist ja auch, dass KI ergänzend ist, nicht ersetzt, sondern ergänzend für uns ist. Und das sind für mich halt wirklich tolle Beispiele, wo du halt sagst, okay, da kannst du es wirklich greifbar machen. Da schafft KI einen Mehrwert für den Nutzer oder die Nutzerin in dem Moment und ergänzt halt die Fähigkeiten. Ich hatte zwischendurch ein bisschen gedacht, als ich das gelesen habe, unser Skript, generative KI, wir sprechen jetzt über Brain Machine Interfaces, was ja im Moment ganz stahl geht wo tatsächlich Implantate ins Gehirn gesetzt werden und mal gewisse Unfähigkeiten korrigiert werden Gehörlose kannst du wieder hörend machen, Blinde kannst du wieder sehend machen und so Zeug alles und da bin ich auch mal sehr gespannt was da noch ergänzend kommt das ist wahrscheinlich Zukunftsmusik in der Dekade von heute aber die Beispiele die Sabine gebracht hat sind für mich spot on, gerade was das Thema angeht, Fähigkeiten zu ergänzen und daraus aus 1 plus 1 3 zu machen.
Speaker0:[37:33] Ja, ja. Und ich glaube auch, dass das cool wird. Ja, also ich glaube auch, dass wenn wir diesen Freiraum haben, uns da auszutoben. Und ich bin ja super, ich finde ja alles, was so mit Technologie ist, super faszinierend. Und ich habe natürlich, ich gehöre auch bei uns früher, wenn wir Sachen entwickelt haben, ich war immer der DAO, der dümmste aller User, weil ich überall drauf drücke. Ich kriege auch jedes System zum Abstürzen. Weil, aber dann immer alle sagen, warum hast du jetzt da drauf gedrückt? Ja, warum nicht? Also stand ja nicht drauf, drück nicht drauf. Und das ist etwas, wo ich eben sage, da kannst du noch viel, viel mehr machen, als jetzt eben nur das, was du heute da hast. Und ich glaube auch, dass wir zum Beispiel, wir haben jetzt einen Hackathon auch gehabt, wo wir mal gesagt haben, wir haben extra mal gesagt, für neurodivergente Menschen eine Webseite machen. Wo ich sage, der Autist, der braucht weniger Content, nicht schnelle Bilder. Der ADHSler braucht fullblown, überbrachte das Ding am besten mit Musik und Bild. Und auch da zu sagen, was spricht mich denn als Mensch an? Also wenn ich mir zum Beispiel ein Auto kaufen würde, dann würde ich einen geilen Car-Configurator haben und nicht das, was heute auf dem Markt ist.
Speaker1:[38:56] Und da wird Generative KI einiges bieten in Zukunft, weil das sehr angepasst sein wird. Und diese ganzen Fähigkeiten, die du sonst immer so reinprogrammieren musst, brauchst du da nicht mehr. Und da freue ich mich auch drauf, weil das halt deutlich inklusiver sein wird als alles, was wir uns teilweise vorstellen können.
Speaker0:[39:17] Absolut, absolut.
Speaker2:[39:19] Danke euch beiden. Das war ein sehr spannender Austausch. Und wie immer an dieser Stelle die Frage, Was habt ihr aus dem Gespräch mitgenommen? Lieber Uli, möchtest du anfangen?
Speaker1:[39:27] Ich fange mal an. Ich habe ein paar Punkte mitgenommen, aber ich versuche mal, mich auf so drei, vier zu kristallisieren. Also ich glaube, das Wichtigste, was ich so für mich mitgenommen habe, war Neurodiversität braucht tatsächlich Aufklärung und Toleranz. Und das ist nicht nur Führungskräfteaufgabe, sondern auch alle im Unternehmen und alle in der Gesellschaft. Ja, und ich fand den Punkt sehr gut, Sabine, den du gemacht hast, dass gerade bei dem Outing, dass Neurodiversität eigentlich da steht, wo Outing vor 20 Jahren stand. Ja, und da ist noch viel Arbeit zu leisten. Ja, und das ist wichtig. Ja, und das zweite, was ich mir so aufgeschrieben habe, ist halt, dass KI als wirklich gutes Beispiel für ergänzende Fähigkeiten in dem Umfeld genutzt werden kann. Und das Dritte ist halt, wie schaffen wir es, die Normalität, mit der wir aufgewachsen sind, zu verlernen und dafür logischerweise eine Aufgeschlossenheit zu schaffen, die halt neues Denken und neue Fähigkeiten und diese Komposition der verschiedenen Perspektiven halt auch zulässt.
Speaker0:[40:31] Ich glaube, was ich mitgenommen habe, ist, dass ich diese Gespräche sehr wertvoll finde, weil ich ja auch immer dazu lerne, weil jeder ja auch so andere Fragen irgendwie stellt und auch mal so gegen die Tonne tritt und sagt, ja, ist die These hier richtig? Und ich bleibe dabei, da ist eben noch Weg zu gehen. Und ich sage auch, die Mission ist erst beendet, wenn man mich nicht mehr braucht, wenn das von alleine läuft. Und diese ganzen Sachen, die ich hier mache, wie Podcasts oder solche Sachen, helfen mir ja auch. Ihr seid jetzt für mich eben auch Ambassadors. Ihr geht da raus und erzählt das vielleicht jemandem und sagt, ey, ich habe dir heute voll ausgeflippt. Und ich glaube, dass das wichtig ist, diesen Stein ins Rollen zu bringen. Und ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind und freue mich super, dass ich hier die Möglichkeit hatte, das einfach auch mal so ein bisschen zu erzählen und auch zu erklären, dass das nicht nur Charity Reasons ist, sondern dass das für unsere Wirtschaft mega wichtig ist, wenn wir weiter nach vorne kommen wollen.
Speaker2:[41:30] Ich habe noch eine abschließende Frage für dich, Sabine. Was würdest du denn als jungen Talent für die Karriere in Unternehmen empfehlen, wenn man sich in das neurodivergente Spektrum zählt?
Speaker0:[41:41] Also was ich gelernt habe ist, sei authentisch. Sei authentisch. Und das bin ich heute. Ich habe dafür Zeit gebraucht. Aber sei authentisch, sei mutig und such dir jemanden an deiner Seite wie ein Mentor oder so. Ja, davon gibt es eben zum Glück auch welche, die dich dabei unterstützen und lerne Selbstwirksamkeit. Und das ist, glaube ich, etwas, was ich sehr wichtig finde. Und das sage ich auch allen, die ich heute im Mentoring oder so habe. Die Authentizität ist für mich das Wichtigste, weil das Leben ist zu kurz, als dass ich mich immer maskieren und immer was vorspielen muss.
Speaker2:[42:21] Vielen Dank, Sabine. Ich bedanke mich für die Zeit, für deine Offenheit und für die Einblicke, die du uns auch gegeben hast.
Speaker0:[42:29] Sehr gerne. Vielen Dank an euch und für euch und dass ihr mich eingeladen habt.
Speaker2:[42:34] Das war der Digital Pacemaker Podcast mit Sabine Buch, Vice President International Products Innovations bei T-Systems International. Wenn ihr unseren Newsletter abonnieren möchtet, besucht digitalpacemaker.de und registriert euch. Informationen zur heutigen Folge findet ihr wie immer in den Shownotes. Folgt uns jetzt auf eurer Podcast-Plattform, verpasst keine unserer Folgen. Viel Spaß und bis bald, euer Uli und Markus.
Music:[42:57] Music